Heute sprechen wir über das sogenannte „Kriechen“ bei Kunststoffen.
● Definition
Unter Kriechen versteht man das Phänomen, bei dem sich ein Material unter einer konstanten Belastung im Laufe der Zeit allmählich verformt. Dies wird manchmal auch als „Kaltfließen“ bezeichnet.
Es gibt im Allgemeinen drei Arten des Kriechens:
- Elastische Rückbildung → Wird die Belastung entfernt, kehrt das Material – je nach seinen Eigenschaften – teilweise in seine ursprüngliche Form zurück.
- Dauerhafte Verformung → Die Form kehrt auch nach Entfernen der Belastung nicht in den Ausgangszustand zurück.
- Bruch → Andauerndes Kriechen führt schließlich zum Versagen des Materials.
Zur Veranschaulichung:
- Marshmallow: Wird beim Drücken verformt, geht aber nach Entlastung wieder in seine Form zurück.
- Knete: Verformt sich unter Druck und behält diese Form auch nach Entlastung bei.
- Tofu: Verformt sich zunächst, bricht aber bei andauernder Belastung schließlich auseinander.
- Hinweis: Auch Marshmallows und Knete können bei zu hoher Belastung irgendwann brechen.
Das Kriechverhalten hängt von mehreren Faktoren ab: Materialtyp, Belastung, Temperatur und Zeit.
Insbesondere bei konstanter Belastung spielt die Temperatur eine entscheidende Rolle. Bei gleicher Last und Dauer nimmt das Kriechen mit steigender Temperatur zu. Dies tritt sowohl bei Kunststoffen als auch bei Metallen auf, wobei das Ausmaß unterschiedlich ist.
Härtere Materialien sind im Allgemeinen kriechfester, während weichere Materialien anfälliger sind (Härte und Druckfestigkeit sind gute Indikatoren zur Beurteilung der Kriechbeständigkeit).
● Kriechbeständigkeit
Je höher die Kriechbeständigkeit, desto weniger neigt ein Material zu Verformung unter langfristiger Belastung.
Bei Kunststoffen gilt:
- Duroplaste (z. B. Phenol- oder Epoxidharze) weisen in der Regel eine bessere Kriechbeständigkeit auf als Thermoplaste.
- Bei Thermoplasten gilt typischerweise folgende Reihenfolge (von höchster zu geringster Kriechbeständigkeit): PEEK > PPS > POM > PET > PP > PE > PTFE
■ Kriechen und Kunststoffkugellager
Bei Kunststoffkugellagern kann übermäßige Belastung zu Kriechverformungen in den Laufbahnen führen, in denen die Kugeln rollen.
Im Gegensatz zum Verschleiß entstehen hierbei ungleichmäßige Oberflächen (kleine Eindrückungen), die den Rollwiderstand erhöhen und die Rotation des Lagers beeinträchtigen können.
Dies kann zu schlechter Rotationsleistung führen und im Extremfall zu Lagerschäden, die den Betrieb der Maschine negativ beeinflussen.
● Unser Ansatz
In Zusammenarbeit mit einer Universität haben wir untersucht, dass beim Aufbringen von Druck auf das Material der Lagerkugeln zwar Eindrückungen entstehen, diese sich jedoch ab einem bestimmten Punkt stabilisieren (die Kriechrate nimmt deutlich ab) und nicht weiter zunehmen – es sei denn, die Belastung ist so hoch, dass ein Bruch auftritt.
Auf dieser Grundlage erforschen wir die optimale Laufbahngeometrie (R-Profil; Radius „R“ der Laufbahn), um die Auswirkungen des Kriechens auf die rollenden Kugeln zu minimieren. Unser Ziel ist es, für jedes Material spezifisch angepasste R-Formen zu definieren, um die Lagerleistung zu verbessern.
Bei Metalllagern sind optimale Geometrieverhältnisse der Laufbahnen im Verhältnis zur Kugelgröße aus jahrzehntelanger Erfahrung bekannt. Für Kunststofflager wollen wir vergleichbar optimierte Geometrien entwickeln.